SCAPA FLOW 2008

 

90 Jahre Scapa Flow.


2009 jährt sich zum 90. Mal die Selbstversenkung der Deutschen Hochseeflotte, sowie zum 70. Mal der Angriff von U 47 unter Günther Prien und die Versenkung des Schlachtschiffes ROAYL OAK in der Bucht von Scapa Flow. Ich hatte die Gelegenheit als Marinemaler, eingeschifft an Bord der Fregatte HAMBURG, einen Besuch in dieser „Schicksalsbucht" der Kaiserlichen Flotte mitzuerleben und war beeindruckt, wie die Deutsche und Britische Marine mit diesem Erbe umgehen.


Am frühen Morgen des 12. Juni 2008 befand sich die Fregatte HAMBURG  mit Heimatkurs im Pentland Firth nördlich Schottlands. Von Dublin kommend hatten wir den Sound of  Mull durchlaufen und sind der schottischen Küste nach Norden hin gefolgt. Anfangs noch zu beiden Seiten des Schiffes, boten sich beeindruckende, traumhaft schöne Landschaften und weiter nördlich dann, die gesamte raue Schönheit des schottischen Nordens. Von diesen Eindrücken geprägt, stand uns nun an jenem Junitag ein Erlebnis besonderer Güte bevor: Wir wollten in die Bucht von Scapa Flow einlaufen.

Geographisch gesehen eher eine unspektakuläre Aktion. Ganz im Norden Schottlands, durch den Pentland Firth von diesem getrennt, liegt diese Bucht inmitten der großen, südlichen Orkneyinseln South Ronaldsay, Hoy und Mainland. Die flachen, kahlen oder zumeist kaum mit mehr als Gras bewachsenen Inseln, bieten dem Auge kaum Attraktivität und nur im Nordwesten der Insel Hoy erheben sich mit dem Ward Hill größere Berge. Doch wir sind nicht hierher gekommen um den landschaftlichen Schönheiten zu frönen, sondern vielmehr deshalb, weil sich hier in beiden Weltkriegen ein Hauptstützpunkt der Royal Navy befand und der Name SCAPA FLOW in den Gedanken marine-historisch interessierter Menschen eine ganz besondere Bedeutung hat. Während die Einen dabei eher an die Kaiserliche Hochseeflotte denken, denken andere vermutlich zuerst an die britische ROYAL OAK und U 47 unter Günther Prien. Beide Ereignisse verbindet ihr jubilierender Gedenktag in 2009.


Nach dem Waffenstillstand 1918 musste die Deutsche Hochseeflotte an die Siegermächte ausgeliefert werden und traf nach einigen Differenzen über deren Verbleib letztendlich am .... .... zur Internierung in Scapa Flow ein. Der Verband stand unter dem Befehl von Konteradmiral Ludwig von Reuter und bestand aus 74 Großkampfschiffen, Kreuzern und Torpedobooten. Durch die britischen Bewacher in Unkenntnis gelassen über den Verlauf der Friedensverhandlungen stand von Reuter unter dem Druck eines bestehenden Übernahme-Ultimatums durch die Alliierten. Gebilligt von der Deutschen Admiralität, gab er am 21. Juni 1919 daher den Befehl zur Selbstversenkung der gesamten Flotte um diese nicht in Feindeshand fallen zu lassen. Der Britischen Admiralität passte das ganz gut, brauchten sie doch nun die wertvollen Schiffe nicht unter den Verbündeten aufzuteilen. Für Deutschland hingegen bedeutete es, dass nun alle restlichen, brauchbaren Schiffe und viele andere wertvolle, technische Einrichtungen ausgeliefert werden mussten und somit die ohnehin schon ruinierte Wirtschaft zusätzlich geschwächt wurde.


Um diese „Schmach" der Selbstversenkung wett zu machen und einen Achtungserfolg für die Deutsche U-Bootwaffe zu erlangen, entsandte man 20 Jahre später U 47 unter Kapitänleutnant Günther Prien zu einem Angriff nach Scapa Flow. Die zahlreichen Durchfahrten in die Bucht, waren zwischen den Inseln durch Sperren und Blockschiffe geschützt. Trotzdem gelang es U 47 am 14. Oktober 1939, von Osten her durch den Kirk Sound einzudringen, das britische Schlachtschiff ROYAL OAK mit 1400 Mann zu versenken und anschließend wieder zu entkommen. Für die Briten war dieser Angriff eine unerhörte Niederlage, die deutsche Propaganda hingegen machte natürlich einen grandiosen Sieg daraus und Prien und seine Mannen zu den ersten, großen Helden des Krieges.


Als wir nun morgens gegen acht Uhr mit Nordkurs der Einfahrt zustreben gibt der II SEO über Schiffslautsprecher der Besatzung diese historischen Informationen. Es ist diesig und regnerisch. Während wir gegen den eiskalten Wind versuchen den Ausführungen zuzuhören, sehen wir in den dicht neben uns vorbeiziehenden Felsen der Einfahrt verlassene Festungswerke und Stellungen der einstigen Bewacher. Dahinter die ehemaligen Anlagen des Flottenstützpunktes Lyness. Die Gedanken gehen zurück in die Vergangenheit und man versucht sich vorzustellen wie es wohl ausgesehen haben mag, als hier die dicken Pötte der Navy vor Anker lagen - aber eben auch 74 Schiffe der Hochseeflotte. Dabei wird einem klar mit welcher historischen Brisanz diese Bucht für beide Seiten behaftet ist und wie unterschiedlich doch die geschichtlichen Ereignisse für Briten und Deutsche sind.

Ganz unverhofft blinkt uns plötzlich aus einer Regenwand in der nordöstlichen Ecke, dort wo noch heute das Wrack der ROYAL OAK liegt,  ein Scheinwerfer an. Es werden einige Signale ausgetauscht und bald stellt sich heraus, dass es der britische Zerstörer EXETER ist der uns hier begrüßt. Nach wenigen Momenten erscheint das Schiff dann auch aus dem Dunst und läuft mit hoher Geschwindigkeit an unserer Steuerbordseite vorbei gen Süden. Beim Passieren wird auf beiden Schiffen „Front" gepfiffen und man winkt sich gegenseitig zu.


Während die ROYAL OAK einen Status als Kriegsgrab hat, sind die restlichen noch verbliebenen sieben Wracks der deutschen Schiffe frei zugänglich und beliebte Tauchziele. Die Übrigen haben die Briten zwischen 1923 und 1939 gehoben und verschrottet. 1956 hat dann auch die Royal Navy ihren Stützpunkt hier verlassen, so dass die Bucht zunehmend touristische Bedeutung erlangte. Diese Begegnung mit der HMS  EXETER war also etwas ganz besonderes. Die HAMBURG durchlief danach die Bucht in großem Bogenschlag und ging durch die südliche Einfahrt wieder in den Pentlant Firth hinaus auf Heimatkurs.



                   Olaf Rahardt