Bilder von allen sieben Meeren

 

Bilder von allen sieben Meeren

Von Karin Lubowski

Olaf Rahardt stammt aus Thüringen und lebt auch dort. Sein Herz aber schlägt für die See. Früher diente er als Matrose, nun hat er seinen Traumjob gefunden: Marinemaler

In der Wohnung von Olaf Rahardt sieht es manchmal aus wie in einem Museum: Überall Bilder von Schiffen - doch die Gemälde sind alle neu, und wer genau hinsieht, entdeckt auch moderne Wasserfahrzeuge, moderne Szenerien. Olaf Rahardt hat alle diese Bilder selbst gemalt, er gehört zu der selten gewordenen Spezies der Marinemaler und hält in Zeiten der Digitalfotografie den Pinsel in Ehren. Gerade ist Rahardt von einer sechswöchigen Reise zurückgekehrt, mit einem Flottenverband der Bundesmarine.

Was hat ein Maler im Manöver zu schaffen? "Na, malen", sagt Olaf Rahardt. "Und zwar Bilder und nicht, wie einer an Bord gedacht hat, Schiffswände." Das Missverständnis wegen seiner Funktion im Verband der Fregatten "Hamburg" und "Köln" und des Versorgers "Berlin" bringt den 43-Jährigen noch immer zum Lachen. "Das zeigt aber auch, wie selten Marinemaler geworden sind", sagt er. In Deutschland gibt es gerade eine Handvoll von ihnen.

13 Häfen haben die Schiffe, auf denen Rahardt mitfuhr, im Ausland angelaufen, 27 000 Seemeilen zurückgelegt, einmal ganz Afrika umrundet. Dass er dazu eingeladen war, macht Rahardt sichtlich stolz, vor allem, weil er seine Fertigkeiten im Bordbuch verewigen durfte. Sechs Wochen Meer: Die muss er jetzt erst einmal in Bilder umsetzen. "Nacharbeiten" nennt er das. "In meinem Atelier hat sich in dieser Zeit ja nichts getan." Alte Windjammer, moderne Fregatten, geblähte Segel, nüchterne Bordtechnik, Holz hier, Stahl da: Sein Atelier ist eine Art Kunstinstitut für Meerwasser und Seefahrzeuge aller Art in Rudolstadt mitten in Thüringen. Weit weg von deutschen Küsten, aber doch mitten im Salzwasser.

Mit einem Bild der "Victory" fing alles an. Elf Jahre war Rahardt alt, als er, ein Bild des historischen britischen Kriegsschiffs vor Augen, beschloss: "Da will ich mal rauf." Das Kriegsschiff, die Geschichten von Lord Nelson und der Schlacht von Trafalgar bestimmten Rahardts Lebensweg. "Deswegen bin ich zur See gefahren", sagt er. Als Motorenschlosser war er vier Jahre mit den U-Boot-Jägern der Volksmarine unterwegs. Die Lust am Malen hat ihn stets begleitet. Nur die im englischen Portsmouth vertäute "Victory" bekam der DDR-Marinesoldat natürlich nicht zu Gesicht.

Sein Traumschiff sah er erst 2005 als 40-Jähriger, da jedoch in allem Pomp und mit Königin. 2005 jährten sich die Schlacht von Trafalgar und der Tod Nelsons zum 200. Mal. Rahardt war damals schon zehn Jahre selbstständiger Künstler; entsprechend hielt er das Ereignis fest. "Ein Paradebeispiel für die Berechtigung, die auch moderne Marinemalerei noch hat", sagt er. "Denn da, wo ich gemalt habe, waren Fotografen nicht zugelassen." Noch wichtiger ist ihm die Langsamkeit, mit der die Malerei unweigerlich verbunden ist. "Es wird viel Banales fotografiert. Ein Gemälde ist ein mit Überlegung gestaltetes Unikat und meist größer und deshalb exakter als ein Foto."

Zur verkitschten Seemannsromantik ist Rahardt nicht geboren. Dass er mit seinem Malwerkzeug umgehen, dass er sehen und das Gesehene umsetzen können muss, das sind notwendige Voraussetzungen für seine Arbeit. "Marinemalerei erfordert aber auch umfangreiches Wissen über Schifffahrts- und Schiffbaugeschichte vor dem jeweiligen politischen und regionalen Hintergrund", sagt er. Wenn er darüber, wie bei seiner Arbeit an der "Adler von Lübeck", nicht genug weiß, malt er ein Schiff nicht vor seinem Heimathafen, sondern auf dem offenen Meer. "Am wichtigsten sind der Blick und das Gespür für Wetter, Wind und See und dafür, wie sich Schiffe im Seegang verhalten", sagt Rahardt. Mit seinen Fertigkeiten ist er der Archäologie und der Meteorologie, der Geschichte und der Schiffbauerei mindestens so nahe wie der Kunst.

Einen Namen hat er sich in der Welt der Marinemaler längst gemacht. Seine Bilder sind im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven zu finden, im Internationalen Maritimen Museum Hamburg, im Ostfriesischen Landesmuseum Emden und im Marinemuseum Dänholm in Stralsund. Die Gemälde schmücken außerdem Dienstzimmer der Deutschen Marine und sind in Büchern, Zeitschriften sowie als Deckelbilder auf Modellbaukästen zu finden.

Sein persönliches Lieblingsbild? "Immer das, was ich gerade in Arbeit habe", sagt Rahardt diplomatisch. Die größte Freude aber empfindet er an Schiffen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, "als sie noch ihre Takelage hatten, aber schon mit Dampfantrieb ausgerüstet waren". Und ganz oben steht für Rahardt die "Victory" als Mutter aller seiner Pinselstriche. Mit ihr verbindet ihn seit seiner jüngsten Reise ein weiteres Erlebnis. Rahardt gehörte zu einer Marinedelegation, die das Schlachtschiff wie die Queen 2005 durch eine Ehrenpforte betreten durfte. Dabei wurde sogar Seite gepfiffen - das ist das Ehrenbezeugungsritual, bei dem mit der Bootsmannspfeife der an Bord kommende Kapitän begrüßt wird.